Denkanstoß: Wenn das Smartphone zum Lebensmittelpunkt wird

Sieht man sich in der Bahn um, sind sie fast in jeder Hand zu finden – die Smartphones. Meine Generation ist wohl eine der letzten, die ein Leben ohne sie kennt. Doch auch für die meisten von uns sind diese perfekt verarbeiteten Designergeräte schon so fest mit unserem Alltag verschmolzen, dass wir vergessen, das Ganze aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Eine App für jede Lebenslage

Von dem ursprünglichen Nutzen des Handys haben sich Smartphones weit entfernt. Die aktuellen Modelle sind in der Lage, uns in jeder Lebenssituation ein treuer Begleiter zu sein. Ob Foto-Schnappschuss, Terminorganisation, passender Soundtrack, Shopping-Assistent oder Navigator – mit unserem Phone haben wir das alles in einem Gerät vereint. Diese kleinen Genies bieten uns jede erdenkliche App und vernetzen uns mit Menschen oder Orten auf der ganzen Welt. Alles ist so schön global und zu einer riesigen Community geworden – doch unsere glänzenden Helferlein haben auch eine große Schattenseite.

Die Jagd nach dem neusten Modell

Hält man diese kleinen Livestyle-Objekte in der Hand, kann man sich die riesigen Auswirkungen auf unser Ökosystem kaum vorstellen. Doch die Smartphone-Produktion ist ein Geschäft, das vor allem zu Lasten der Umwelt geht. Der Energieaufwand für die Herstellung dieser komplexen Geräte ist so hoch, dass man damit ganze Länder mit Strom versorgen könnte. Neben dem hohen Energiefaktor benötig man für jedes Smartphone Bauteile, die sich nur durch die Gewinnung von Edelmetallen herstellen lassen. Diese werden in Minen unter Einsatz giftiger Chemikalien und meistens unter unmenschlichen und gefährlichen Arbeitsbedingungen abgebaut.

Um uns noch schnellere Geräte und flachere Designs liefern zu können, werden die Geräte so gebaut, dass es fast unmöglich ist, einzelne Teile auszutauschen. Wenn ein einzelnes Bauteil nicht mehr funktioniert, ist das ganze Smartphone also unbrauchbar. Ein Effekt, der das Konsumrad für die Hersteller ankurbelt. Die Umwelt zahlt jedoch durch Massen an schwer recycelbarem Elektroschrott nochmals einen hohen Preis. Leider nutzen die wenigsten diese Geräte, bis sie nicht mehr funktionieren. Durch Verträge, die uns jedes Jahr ein neues Modell liefern, werden die noch funktionstüchtigen Vorgänger in die Tiefen unserer Schubladen verbannt.

Eine Nutzerin schaut sich die Stadt unter sich auf ihrem Handy an.
Was nicht auf dem Bildschirm zu sehen ist, wird manchmal gar nicht mehr wahrgenommen. Das zeigt sich leider oft bei Konzerten, die die Zuschauer oft mehr durch ihr Handy verfolgen, als wirklich live dabei zu sein.

Soziale Auswirkungen von Smartphones: mehr Lebenselixier statt Alltagshelfer

Smartphones verändern nicht nur die Umwelt, sondern auch unsere Gesellschaft. Für viele Nutzende fungieren sie nicht mehr als nützliches Gerät, sondern viel häufiger als Unterhaltungsmedium. Der Minicomputer wird durch die ständige Vernetzung und die vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten oft zum Mittelpunkt im Leben, anstatt nur ein Teil davon zu sein. Es scheint, als wäre für viele der ständige Kontakt mit ihrem Umfeld und das Updaten der Social-Media-Accounts zur Hauptbeschäftigung in jeder freien Minute geworden.

Oft kann man beobachten, dass das Smartphone nur noch selten aus der Hand gelegt wird oder maximal eine Armlänge davon entfernt liegt. Unter Fachleuten ist dieses Verhalten als „Nomophobie“ bekannt. Doch was passiert, wenn das Checken der neuen Benachrichtigungen für viele zur Dauerbeschäftigung wird? Die Menschen verlernen dadurch, sich selbst zu beschäftigen und ihren Gedanken Entfaltungsmöglichkeit zu bieten. Denn es ist vor allem die Bequemlichkeit, die einen so oft die Unlock-Taste drücken lässt. Anstatt auf etwas zu warten, sei es an der Kasse oder im Bus, und in dieser „Zwischenzeit“ seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, überbrücken die meisten diese Augenblicke mit ihren Apps. Wann haben Sie in der Bahn das letzte Mal verträumt aus dem Fenster geschaut statt auf das Display? Forschende sprechen von geistiger Abstumpfung. Die Nutzerinnen und Nutzer verlernen durch die ständige Beschäftigung mit ihren Smartphones das Nichtstun, die kreative Entfaltung oder sogar sich zu langweilen.

Kommunikation goes digital: Wird sie dadurch besser?

Durch die Digitalisierung kommunizieren wir wahrscheinlich mehr denn je. Noch nie konnte man sich so schnell, vielseitig und flexibel miteinander verbinden. Die Kommunikation findet jedoch nun zu großen Teilen online, auf den sozialen Plattformen, statt. Dadurch bleibt der direkte persönliche Kontakt oft auf der Strecke und auch die Telefonfunktion rückt immer mehr in den Hintergrund.

Beeinträchtigt dieser Wandel unseren zwischenmenschlichen Austausch? Veränderungen sind zu spüren: Oft scheint das persönliche Gespräch den Nutzernden schwerer zu fallen. Es ist eben einfacher, wenn man sich erst eine Antwort „zurechtlegen“ kann. Konflikte werden immer häufiger im Chat gelöst, analoges Anschweigen oder Smartphones als Gesprächsunterstützung sind keine Seltenheit. Leider bleibt auch die Verlässlichkeit auf der Strecke. Geschriebene Worte scheinen für viele weniger endgültig zu sein. So sind beispielsweise Verabredungen nicht mehr verlässlich und werden im Chat ständig verschoben oder abgesagt.

Ein Mädchen und ein Junge schreiben sich per Smartphone: Wo bist du - Ich bin hier - obwohl sie sich gegenüberstehen.
Das Bild zeigt symbolisch, dass das „Mehr“ an Kommunikation mit dem Smartphone nicht unbedingt zu mehr Nähe zwischen Personen führt.

Das Lexikon in der Hosentasche nimmt einem das Lernen und Denken ab

Zu jeder offenen Frage kennt Google eine Antwort. Durch das Smartphone bietet sich uns die Möglichkeit, alle erdenklichen Daten und Informationen von jedem Ort aus abzurufen. Die Abfahrtszeiten der Bahn, Lernstoff für die anstehende Klassenarbeit, Empfehlungen für Restaurants oder die Adresse der nächsten Autowerkstatt – das Smartphone ist zu einer Art „externem“ Gehirn geworden. Eigentlich ein durchweg positiver Effekt, der die Gestaltung unseres Alltags enorm vereinfacht. Dank unseres ständigen Begleiters haben wir alle Informationen stets parat und müssen sie uns nicht mehr merken.

Leider machen sich dadurch Veränderungen in unserem Gedächtnis bemerkbar. Ohne Google Maps finden wir den Weg nicht mehr und ohne Messenger-Apps verlieren wir den Kontakt. Der Psychiater Manfred Spitzer hat den Begriff der ,,Digitalen Demenz“ geprägt. Damit ist gemeint, dass die Gedächtnisleistung durch die permanente Verfügbarkeit von Informationen nachlassen würde. Ich finde, man sollte sich öfters den Luxus leisten, selbst zu denken und nicht nur Daten zu sammeln.

Personalisierte Onlinewelt: Fluch und Segen zugleich

Vieles im Leben basiert auf Zufällen: unseren Gedanken, Begegnungen und Erfahrungen. Das ist auch gut so, denn so lernen wir Neues kennen, gewinnen andere Einsichten und bereichern die Gesellschaft letztendlich mit Vielfältigkeit. Eigentlich bekommen wir durch das Internet eine große Vielfalt von Meinungen und Diversitäten geboten. Doch leider können wir diese häufig gar nicht wahrnehmen, da durch die Sammlung unserer Daten alles perfekt auf uns zugeschnitten wird. Wir erhalten Werbung, Musik oder Blog-Einträge, die unserem bisherigen Klickverhalten entsprechen. Was in manchen Fällen praktisch ist und das Leben tatsächlich erleichtert, ist anderswo einschränkend. Dadurch dass uns ständig recht gegeben wird, in dem, was wir denken und tun, sinken die Chancen, auf Unbekanntes zu stoßen. An der Stelle frage ich mich: Haben wir überhaupt noch die Freiheit, selbst zu denken? Oder werden wir durch das Ausgrenzen vieler Informationen nicht schon in eine gewisse Richtung gelenkt?

Digital-Sickness: Auswirkungen auf die Gesundheit der Nutzenden

Forschende sprechen bereits von einer „digitalen Seuche“ – die Menschen verbringen mehr Zeit vor Bildschirmen als je zuvor. Meistens mehrere Stunden täglich fixieren wir unterschiedliche Bildschirme. Das kann vor allem Auswirkungen auf die Augen haben – durch den geringen Abstand zum Auge steigt das Risiko zur Kurzsichtigkeit. Weitere mögliche Folgen sind Schlafstörungen, ausgelöst durch das blaue Lichtspektrum der Displays, der Handy-Daumen, Konzentrationsprobleme und eine Überbelastung der Nackenmuskulatur. Auch die Handystrahlung wird mit Krankheiten, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, in Verbindung gebracht. Viele der Langzeitfolgen durch die ständige Smartphone-Nutzung sind noch unerforscht.

Drei Warnschilder sind beispielhaft nebeneinander abgebildet.
Vor lauter Smartphone gefährden sich Intensiv-Nutzer zum Beispiel im Straßenverkehr. Für manche Betreiber und Betreiberinnen von Cafes, Restaurants und anderen Geschäften bleibt da nur das generelle Handyverbot.

Für mich ist klar: wenn Smartphone, dann Fairphone

Eine ökologische Alternative bietet uns das Fairphone. Das aus Amsterdam stammende Smartphone ist fair produziert und modular. Es wird gewährleistet, dass die Rohstoffe aus konfliktfreien Minen stammen, faire Arbeitsbedingungen herrschen und mit möglichst geringem Schaden für die Umwelt produziert wird. Durch die modulare Bauweise lassen sich einzelne Teile austauschen. Diese einfachen Reparaturen verlängern die Lebensdauer der Geräte enorm. Wenn das Fairphone dann doch einmal ausgedient hat, ist ein erfolgreiches Recycling der einzelnen Bauteile möglich.

Fazit: meine Tipps für Ihr Leben mit dem Smartphone

Das Smartphone ist ohne Zweifel ein praktischer Begleiter. Aber es ist kein Lebenselixier! Machen Sie sich doch immer mal wieder bewusst, wie viel Zeit Ihnen Ihr Smartphone raubt, indem Sie sich mit Dingen beschäftigen, die eigentlich unwichtig sind. Nutzen Sie die Chancen, die dieses tolle Gerät bietet, aber rücken Sie es nicht in den Mittelpunkt Ihres Alltags. Durch den kritischen Umgang und bewussten Verzicht bewahren Sie sich auch eine gewisse Unabhängigkeit von der Technik. Durch Handypausen oder handyfreie Zonen geben Sie Ihrem Geist die Möglichkeit, sich zu entfalten und Ihr Umfeld intensiver wahrzunehmen. Denn zu bedenken gilt: Man ist zwar mit einer riesigen Community verbunden, seine Zeit verbringt man jedoch allein vor einem technischen Gerät. Und das echte Leben ist doch so viel kostbarer als die virtuelle Welt.

Wie denken Sie über das Thema Smartphone-Nutzung? Wir freuen uns über Ihre Meinungen und Gedanken im Kommentarbereich.

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