Klimagerechtigkeit – wie funktioniert sie?

Die Menschen auf der Demonstration halten Schilder hoch und demonstrieren für Klimagerechtigkeit.

Der Klimawandel stellt die Menschheit vor große Herausforderungen. In einer globalisierten Welt beschränken sich seine Auswirkungen nicht nur auf einzelne Regionen. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen sind weltweit spürbar. Die Prognosen für nachfolgende Generationen sind deshalb unabhängig vom Lebensraum beunruhigend. Schon jetzt sprechen einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von einer unmittelbar bevorstehenden Klimakrise. Dass sich gerade auch die sogenannten Industrienationen dazu verpflichten müssen, ihren Beitrag zur Klimaerhaltung zu leisten, steht daher außer Frage. Im Sinne der Klimagerechtigkeit sind alle dazu aufgerufen, sparsamer mit Ressourcen umzugehen. Aber vor allem ist Solidarität gefragt. Warum? Weil der Klimawandel ausnahmslos alle betrifft und ein Umdenken sowie der Schutz vor den Auswirkungen nicht ohne Klimagerechtigkeit funktionieren!

Was bedeutet Klimagerechtigkeit?

Klimagerechtigkeit bedeutet, die Klimakrise nicht nur als Umwelt- oder Technikproblem, sondern als Frage der sozialen Gerechtigkeit zu begreifen. Es geht darum, an den Kern der Klimakrise zu gehen und zu schauen, wer für diese verantwortlich ist. Dabei steht die Diskrepanz zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden im Vordergrund. Dem Ansatz zufolge ist der Globale Norden – also die industrialisierten Länder – größtenteils dafür verantwortlich, dass Güter in wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern – dem sogenannten Globalen Süden – billig produziert werden. Umweltschäden durch teilweise rechtswidrige Herstellungs- und Entsorgungsprozesse entstehen folglich hauptsächlich in diesen Ländern. Die hohen Emissionen aus Industrie und Verkehr gehen ebenfalls auf das Konto der reichen Industriestaaten und schädigen das Klima weltweit. So bekommen die Menschen im Globalen Süden den Klimawandel stark zu spüren, obwohl sie selbst kaum dazu beitragen.

Angestrebt wird vom Konzept der Klimagerechtigkeit, dass die Industriestaaten Maßnahmen ergreifen, um die Probleme, die durch den Klimawandel entstehen, weltweit gerecht zu verteilen. Das fängt mit einer deutlichen Verringerung der Treibhausemissionen an. Es beinhaltet jedoch auch die Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Letztlich vereint die Klimagerechtigkeit demzufolge ökologische Themen mit sozialen.

Wo hat der Begriff Klimagerechtigkeit seinen Ursprung?

Der Begriff der Klimagerechtigkeit wurde erstmalig in den 1990er-Jahren von mehreren Forschenden des Global Commons Institute in Großbritannien erwähnt. Sie betrachteten die Erdatmosphäre als gemeinschaftliches Gut. Die Forschenden definierten ein festes globales Kohlenstoffdioxid-Budget, das von allen Nationen gemeinsam nicht überschritten werden sollte. Ein Ansatzpunkt war es, die Reduktion von Kohlenstoffdioxid-Emissionen als wichtigstes Instrument im Kampf gegen die globale Klimaungerechtigkeit umzusetzen. Dieses Prinzip nannten die Autoren „Kontraktion“. Die zweite wichtige Maßnahme sollte die Annäherung der Pro-Kopf-Emissionen verschiedener Länder sein, im Modell als „Konvergenz“ bezeichnet. Mit diesen beiden Ansatzpunkten sollte die Gesamtmenge an Emissionen weltweit gerecht auf alle Menschen verteilt werden.

Durch neuere Bewegungen und Ansätze zum Klimaschutz gewinnt der Begriff der Klima- beziehungsweise Umweltgerechtigkeit zusätzlich an Bedeutung. Beispielsweise taucht er auf bei Diskussionen rund um die Energiewende. So müssen die nachhaltige und faire Herstellung der dafür benötigten Technologien und die gerechte Finanzierung dieser geklärt werden. Mittlerweile ist der Begriff sehr breit gefasst und schließt grundsätzlich viele soziale Fragen im Zusammenhang mit der weltweiten Klimapolitik ein.

Wer trägt die Verantwortung?

Bei der Klimagerechtigkeit geht es wie gesagt um die Verantwortung. Nicht selten jedoch schiebt der Globale Norden diese von sich und verweist auf die Menschen im Globalen Süden, die korrupt seien. Doch diese Art zu denken greift viel zu kurz.

Ein einfaches Beispiel, manchen vielleicht noch aus dem Schulunterricht bekannt, verdeutlicht das Verursachenden-Prinzip: Die Abholzung des Amazonas findet seit Jahrzehnten unter Aufschrei der Weltbevölkerung statt. Mit dem Finger zeigt man auf die korrupte Regionalpolitik und die lokalen Bauern und Bäuerinnen. Dabei sind Letztere jedoch am wenigsten schuld an den Entwicklungen. Stattdessen ist weltweit die Nachfrage nach Fleisch gestiegen, sodass die Wälder der Rinderzucht und der Futtermittelproduktion weichen müssen. Es ist also der freie Markt, der diese Entwicklungen befeuert. Doch das blendet man einfach aus.

Mehrere Erntemaschinen fahren über eine riesige Futterplantage.
Um die Nachfrage nach Fleisch zu bedienen, braucht es viele Flächen für die Futtermittelproduktion.

Letztlich liegt die Verantwortung für die Missstände bei allen Auftraggebenden und Konsumierenden, die sich auf diese Art von Handel einlassen. Das zeigt sich auch deutlich, wenn man die Entwicklung der weltweiten CO2-pro-Kopf-Emissionen betrachtet. Daher muss sich die Politik mit Fragen der Klimagerechtigkeit weitläufig auseinandersetzen. Sie muss die Spielregeln für alle festlegen, im besten Fall gemeinschaftlich und über Landesgrenzen hinweg.

Welche Möglichkeiten und Wege zu mehr Klimagerechtigkeit gibt es?

Klimagerechtigkeit ist sowohl eine ethische als auch eine politische Aufgabe. So unbequem das ist: Auf individueller Ebene wird Klimagerechtigkeit ohne Verzicht und eine Einschränkung des Lebensstandards nicht funktionieren. Konsumenten und Konsumentinnen in Industrienationen sollten sich ihrer Macht bewusst sein. Möchten sie mit ihrem Kauf wirklich Großkonzerne unterstützen, die in ärmeren Ländern Wasser verschmutzen oder privatisieren? Sind sie bereit, für Produkte von Bauern und Kooperativen mehr auszugeben, die sich die Mühe machen, umzudenken und nachhaltig zu wirtschaften?

Sicherlich ist es nicht immer einfach, diese Entscheidungen zu treffen. Dazu gehört auch, dass man sich einen bewussten Lebensstil überhaupt leisten kann. Allerdings geht mittlerweile aus einigen Studien hervor, dass vor allem der Wohlstand für Klimaschäden verantwortlich ist. So sorgten die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung (dazu zählen etwa die Hälfte aller Deutschen) für mehr als die Hälfte aller Treibhausgasemissionen, so der Klimaexperte Jan Kowalzig von Oxfam.

Und wer immer noch Zweifel hat, sollte bedenken: Früher oder später wird die Lebensgrundlage der Industrienationen ebenfalls betroffen sein (und teilweise ist sie es auch jetzt schon). Ob Norden oder Süden – am Ende sitzen doch alle im selben Boot!

Welche Anstrengungen für mehr Klimagerechtigkeit hat die Politik bereits umgesetzt?

In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich die Weltgemeinschaft immer wieder im Rahmen von Klimaverhandlungen auf konkrete Maßnahmen und Ziele festgelegt. Eines dieser Ziele war die 1,5-Grad-Grenze, die sich nun nach Ansicht vieler Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nicht mehr erreichen lässt. Rund um den Erdball leben laut neuestem Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC, veröffentlicht am 28. Februar 2022) bereits über 3,5 Milliarden Menschen in Gebieten, die durch den Klimawandel stark gefährdet sind. Das ist nahezu die halbe Menschheit!

Auf einer Klimademonstration wird mit einem Schild für politische Veränderungen und Klimagerechtigkeit demonstriert.
Auf Klimaprotesten verkünden viele Menschen seit Jahren ihre Forderung für mehr Klimaschutz an die Politik.

In Deutschland wähnten sich die Menschen noch bis vor Kurzem in Sicherheit. Bis zu der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021, als eine Flutkatastrophe die Einwohner und Einwohnerinnen im Ahrtal in Rheinland-Pfalz ereilte. Ein Jahr nach dem Ereignis ist klar, dass beim Wiederaufbau unbedingt die Entwicklungen des Klimawandels eine Rolle spielen sollen. Hier denkt man also die zukünftigen Szenarien mit. An vielen anderen Stellen passiert die Vorbereitung auf die Zukunft allerdings nur unzureichend oder gar nicht.

Kyoto-Protokoll (1997)

Schon seit den 1990er-Jahren haben sich die Vereinten Nationen in mehreren Abkommen mit dem Klimawandel befasst. Doch nahmen sie dabei kaum Rücksicht auf die Folgen für die betroffenen Bevölkerungsgruppen. Das bekannteste und hoffnungsvollste Klimaschutzabkommen war das Kyoto-Protokoll 1997. Damit legten sich die Mitgliedsstaaten auf eine Emissionsreduktion bis zum Jahr 2012 fest. Die USA setzten das Abkommen nie um, China war in seinem damaligen Status als Entwicklungsland nicht an den Verhandlungen beteiligt. Das Kyoto-Protokoll war rechtskräftig, scheiterte jedoch durch die fragwürdigen Bemühungen der beteiligten Staaten.

Warschau-Mechanismus (2013)

Im Jahr 2013 wurde auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen der Warschau-Mechanismus ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein Gremium, das sich mit den regionalen Risiken und Auswirkungen des Klimawandels befasst. Das Gremium koordiniert in betroffenen Regionen Maßnahmen und Initiativen. Es bietet finanzielle und technische Unterstützung und stellt Ausbildungsmöglichkeiten sicher. Ziel ist es, die Bevölkerung bei klimabedingten Schäden finanziell zu unterstützen.

Pariser Klimaabkommen (2015)

Mit dem Pariser Klimaabkommen der UN-Klimakonferenz 2015 wurde ein internationaler Vertrag geschlossen, der über die rein finanzielle Bewältigung von Klimaschäden hinausgehen sollte. Allerdings hat das Abkommen ein ganz entscheidendes Manko: Konkrete Verpflichtungen für die Staaten des Globalen Nordens sucht man hier vergeblich. Nach wie vor scheint es, dass das Bemühen um eine gerechtere Klimapolitik schön aussieht, man vor ernsthaften Maßnahmen jedoch noch immer zurückschreckt.

26. UN-Klimaschutzkonferenz (2021)

Die 26. UN-Klimaschutzkonferenz in Glasgow fand 2021 statt. Die wichtigsten Ziele der Konferenz waren: die Emissionsreduktion bis 2030, Maßnahmen zur Anpassung an unvermeidliche Klimaauswirkungen und die Aufstockung der finanziellen Hilfen für betroffene Regionen. Die Kreativität und das Zeitmanagement der Vereinten Nationen ließen leider einmal mehr zu wünschen übrig.

Für mehr Klimagerechtgkeit: das sollten Politik und Wirtschaft tun

Letztlich werden sich Politik und Wirtschaft wohl nur an den Stellen weiterbewegen, wo engagierte Menschen sich politisch einmischen und Proteste durch gesellschaftliche Bewegungen sichtbar werden. Aufgabe der Zivilbevölkerung sollte es sein, alle politisch und wirtschaftlich Handelnden in eine eindeutige Richtung zu drängen und die Dinge überall dort, wo es möglich ist, selbst in die Hand nehmen.

Forderungen an die Politik

  • Kosten für Klimaschutz- und Klimabewältigungsmaßnahmen gerecht verteilen (Hauptverursacherprinzip)
  • finanzielle Unterstützung für Wissens- und Technologietransfer zur Energiewende sicherstellen
  • Emissions-Zertifikats-Handel überwachen
  • völkerrechtlich verankerte, überprüfbare Klimaschutzabkommen mit konkreten Handlungsmaßnahmen schnellstens umsetzen
  • mehr Transparenz von Industrie und Landwirtschaft fordern, Lieferketten müssen überprüfbar sein
  • Sanktionen für Verstöße an Unternehmen und Staaten verhängen
  • kleine, dezentrale Klimaschutz-Projekte unterstützen
  • auch kleinräumige, regionale Gefahrenanalysen vornehmen
  • Demokratie stärken

Forderungen an die Wirtschaft

  • CO2-Neutralität als Mindeststandard
  • Lieferketten transparent machen und faire Arbeitsbedingungen sicherstellen
  • bei der Herstellung in einem anderen Staat die gesetzlichen (höheren) Mindeststandards des Auftraggeber-Staates einhalten
  • die Rechtsgültigkeit von Zertifizierungen usw. durch neutrale Stellen überwachen lassen, um Greenwashing zu vermeiden
  • an Unternehmen appellieren, ihre Partner zu ermutigen, nachhaltig zu wirtschaften und in fortschrittliche Technologien zu investieren
  • Unternehmen auffordern, einen Teil ihrer Gewinne in sinnvolle Projekte zum Klimaschutz zu investieren
  • an Unternehmen appellieren, mehr zu tun, als die Politik von ihnen verlangt

Checkliste: Wie kann man selbst zu mehr Klimagerechtigkeit beitragen?

Auf individueller Ebene lassen sich einige Maßnahmen von jeder und jedem sofort umsetzen. Für andere bedarf es mehr Einmischung in die Politik und vor allem in die Wirtschaft. Hier sind einige Ansätze, mit denen sich Bewegung in den Kampf um mehr Klimagerechtigkeit bringen lässt.

  • nachhaltige Lebensstile vorleben und diskutieren
  • das eigene Konsumverhalten überdenken
  • Initiativen gegen Menschenrechtsverletzungen unterstützen
  • politisches Engagement und Bürgerbeteiligung
  • solidarisch handeln
  • Petitionen unterzeichnen
  • lokale Projekte zum Klimaschutz, z. B. Genossenschaften, starten oder unterstützen

Und schließlich: Klimagerechtigkeit ist auch Generationengerechtigkeit

Der Begriff Klimagerechtigkeit steht nicht nur in einem geografischen Kontext. Klimagerechtigkeit ist im Grunde die wichtigste Voraussetzung für einen Generationenvertrag, bei dem es letztlich darum gehen sollte, nachfolgenden Generationen eine intakte Erde zu hinterlassen. Jeden Tag treffen Menschen durch ihr Handeln die Entscheidung für oder gegen eine gerechtere Welt. Damit tragen sie genauso die Verantwortung für die Konsequenzen. Steigende Meeresspiegel, Flut- und Dürrekatastrophen, Kriege, Flüchtlingskrisen: Nichts davon passiert zufällig. Junge Menschen haben folglich nicht unbegründet Sorge um ihre Lebensgrundlage. Wie man es auch dreht und wendet: Am Ende lässt sich die Umwelt, die wir unseren Kindern hinterlassen, ohne Klimagerechtigkeit nicht retten.

 

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