Nachhaltige Smartphones – geht das überhaupt?

Zu Beginn die schlechte Nachricht: Komplett nachhaltige Smartphones gibt es nicht. Grund dafür sind verschiedene Faktoren, die im Zusammenhang mit der Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Smartphones stehen. Dennoch bestehen ein paar Möglichkeiten, den Smartphone-Kauf zumindest etwas nachhaltiger zu gestalten.

Abbau Seltener Erden für den Lithium-Ionen-Akku

Herkömmliche Smartphones bestehen aus mehr als 60 Materialien. Dazu zählen zahlreiche Seltene Erden. Das sind besondere Metalle, die schwer abzubauen, aber bisher essenziell für die Herstellung von Smartphones und Notebooks sind. Hauptimporteur für diese Metalle ist momentan China. Der Abbau Seltener Erden verursacht Umweltschäden, die für Natur und Bevölkerung vor Ort Folgen haben. In einem Beitrag berichtet der Deutschlandfunk etwa über verschmutztes Brunnenwasser, auf das die Menschen vor Ort als Trinkwasser zurückgreifen müssen.

Weiterhin findet der Abbau Seltener Erden häufig unter Missachtung von Sicherheits- und Gesundheitsauflagen für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Minen statt. Ein Beispiel: Eine Seltene Erde ist Kobalt, das sich im Smartphone im Lithium-Ionen-Akku befindet. Kobalt wird unter anderem im Kongo abgebaut, in dessen Minen Kinder arbeiten müssen, wie zum Beispiel ein Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2016 gezeigt hat. Außerdem stammen die Seltenen Erden oftmals aus Ländern, in denen Bürgerkrieg herrscht und deren Folgekonflikte sich durch die Erträge aus der Minenarbeit finanzieren.

Hoher Wasserverbrauch bei der Herstellung

Hinzu kommt, dass die Herstellung von Smartphones mit einem enorm hohen Wasserverbrauch einhergeht: 910 Liter virtuelles Wasser sind laut einem Beitrag von heise nötig, um ein Smartphone herzustellen. Im Zuge der Produktion von Gütern im Allgemeinen entsteht darüber hinaus sogenanntes graues Wasser. Dabei handelt es sich um verschmutztes Wasser, das für die Bevölkerung und das Ökosystem des Produktionslandes nicht mehr zur Verfügung steht.

Möglichkeiten für nachhaltige Smartphones

Die Verwendung Seltener Erden (sogenannter Konfliktmineralien) sowie Kinderarbeit und nicht faire, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen – die nachhaltige Smartphone-Herstellung muss viele Hürden überwinden und ist noch nicht einmal ansatzweise am Ziel. Derzeit existieren auf dem Markt zwei Hersteller, die sich der Herausforderung „nachhaltiges Smartphone“ gestellt haben.

Fairphone

In puncto Nachhaltigkeit hat das Fairphone handelsüblichen Smartphones einiges voraus. Denn die niederländische Initiative setzt auf eine modulare Bauweise. Das bedeutet, dass Nutzerinnen und Nutzer Teile der Hardware wie Display, Akku und Bildschirm selbstständig austauschen können. So ist das Gerät länger in Gebrauch und die tendenziell lineare wandelt sich zu einer zirkulären Lebensdauer.

Zu den verbauten Materialien der Fairphone-Modelle zählen auch Seltene Erden. Laut einem Bericht des ZDF gibt der Smartphone-Hersteller an, dass es sich dabei um konfliktfreie Mineralien handle. Für die Goldgewinnung kooperiert das Unternehmen mit einer Kooperative in Uganda und sorgt so für faire Bedingungen für die Minenarbeiterinnen und -arbeiter. Im Bericht gibt Philipp Sommer von der Deutschen Umwelthilfe an, die Transparenz bezüglich der Lieferketten sei „positiv zu bewerten“.

Shiftphone

Die Smartphones des hessischen Start-ups sind im Vergleich zu konventionellen Modellen bereits nachhaltiger. Dafür sorgt ebenfalls die modulare Bauweise: Nutzerinnen und Nutzer können Teile des Geräts selbst austauschen. Der Ersatz von Akku und Display sorgt für eine längere Nutzdauer, was sich im Umkehrschluss positiv auf die Belastung von Ressourcen auswirken kann.

Besonders nachhaltig ist der Kauf eines Shiftphones durch die Option, das Gerät auch ohne Ladekabel zu bestellen. Somit vermeidet das Unternehmen die Produktion von unnötigem Zubehör – das ja meistens zu Hause bereits in irgendeiner Schublade liegt. Für die Prüfung der Wertschöpfungskette konnte der Smartphonehersteller laut einem Bericht der Plattform Utopia verschiedene unabhängige Organisationen gewinnen. Weiterhin können Nutzerinnen und Nutzer den Wirkungsbericht des Herstellers online einsehen.

Recycling – Teilaspekt für nachhaltige Smartphones

Ein Punkt, warum nachhaltige Smartphones noch zum großen Teil Zukunftsmusik sind, ist das Recycling. Hat ein herkömmliches Smartphone ausgedient, verstaubt es entweder in den heimischen Schubladen oder wandert in den Elektroschrott. Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt Shaun Donaghy, Betriebsleiter bei der Electrical Waste Recycling Group: „[Smartphones] sind tatsächlich sehr schwer zu recyceln und letztlich suchen die Hersteller nicht den Kontakt zur Recyclingbranche.“

Ein Handy liegt mit zerbrochenem Display auf dem Asphalt.
Ein Handy dient oft nur wenige Jahre bevor ein Neues her muss, doch was passiert mit den Bestandteilen?

Das sieht bei den Herstellern von Fairphone und Shiftphone anders aus. Fairphone hat ein eigenes Recyclingprogramm: Bis zu drei Fairphones kann man mit einem kostenlosen Versandetikett an den Hersteller schicken. Anschließend erhalten Umweltschützerinnen und -schützer eine Gutschrift für das nächste Fairphone.

Auch die Shift GmbH hat sich Gedanken gemacht, wie sie das Recycling für nachhaltige Smartphones gestalten kann. Daher gilt für die Shiftphones ein Gerätepfand von derzeit 22 Euro. Die Kundinnen und Kunden erhalten einen Shopgutschein in Höhe dieses Betrags, wenn sie das alte Shiftphone und den Originalkarton an das Unternehmen zurücksenden.

Gebraucht oder refurbished

Im Gespräch mit dem ZDF rät Philipp Sommer grundsätzlich, gebrauchte Geräte zu kaufen. Denn durch den Kauf eines Smartphones aus zweiter Hand entfällt der erneute Verbrauch wichtiger Ressourcen. Umweltschützerinnen und -schützer haben die Wahl zwischen gebrauchten und sogenannten Refurbished-Geräten. „Refurbished“ bedeutet so viel wie „generalüberholt“.

Der Vorteil: Refurbished-Smartphones sind in der Regel um einiges günstiger. Beim Kauf erhalten Sie die einjährige Garantie von Neugeräten. Der Nachteil: Der Begriff „refurbished“ ist nicht geschützt, sodass jeder Händler etwas anderes darunter versteht. Zwar existieren Zertifikate diesbezüglich, die Hürde für den Erhalt ist laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung allerdings „nicht besonders hoch“. Jeder Käuferin und jedem Käufer steht ein 14-tägiges Rückgaberecht zu. Dieses können Sie nutzen, um das generalüberholte Smartphone ausreichend zu testen.

Kaum Siegel für nachhaltige Smartphones

Gebraucht oder refurbished – das ist ja schön und gut, braucht aber auch Zeit. Denn nicht immer ist das gewünschte Modell oder das Gerät eines speziellen Herstellers verfügbar. Und manchmal – besonders, wenn das alte Smartphone den Geist aufgibt – muss es auch schnell gehen. Doch im Gegensatz zu anderen Elektronikgeräten gibt es für nachhaltige Smartphones nur wenige Ökolabels, die beim Neukauf unterstützen könnten.

Die bestehenden Zertifikate für Smartphones berücksichtigen dabei nicht immer alle Aspekte der Nachhaltigkeit: Sie konzentrieren sich häufig auf den Energieverbrauch der Handys. Dieser ist nämlich im Gegensatz zu den Produktions- und Arbeitsbedingungen transparent mess- und vergleichbar. Eines der wenigen Siegel für Smartphones ist der Blaue Engel. Allerdings handelt es sich dabei auch um ein Umweltzertifikat, sodass soziale Aspekte der Produktion bei der Bewertung der Geräte tendenziell sekundär sind.

Weitere Tipps für einen nachhaltigeren Umgang mit dem Smartphone

  • Die Lebensdauer des Smartphones erhöhen. Glasbruch ist ein gängiges Problem, daher lohnt sich die Anschaffung einer Display-Schutzfolie. Eine Schutzhülle, die stoßabsorbierend wirkt, kann das Gerät vor dem Bruch schützen.
  • Die Lebensdauer des Akkus erhöhen. Schalten Sie das Gerät am besten aus, wenn Sie schlafen. Setzen Sie das Gerät keiner großen Hitze oder Kälte aus. Laden Sie das Handy wirklich nur dann, wenn es nötig ist.
  • Das Smartphone als Ersatz für verschiedene andere Elektrogeräte verwenden, z.B. als Navigationsgerät, Kamera oder MP3-Player.
  • Durch nachhaltigen Mobilfunk, wie ihn das Mobilfunk-Startup WEtell aus Freiburg anbietet, kann die Smartphonenutzung ebenfalls nachhaltiger gestaltet werden.

 

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