Retterbox: eine Chance für krummes Obst und Gemüse

Lebensmittelverschwendung ist ein weltweites Problem. In einem Bericht aus dem Jahr 2020 stellt der WWF fest: „Die mangelnde Nachhaltigkeit bei Produktion und Verbrauch von Lebensmitteln gehört zu den größten ökologischen Gefahren für unseren Planeten“. Gerade an Obst und Gemüse werden im Handel hohe Anforderungen hinsichtlich Aussehen, Größe und Gewicht gestellt. Das große Problem dabei: Was nicht gekauft wird, wird oftmals weggeworfen. Verbraucherinnen und Verbraucher haben jedoch die Möglichkeit, mit einer sogenannten Retterbox ihr Einkaufsverhalten zu ändern und auch „krummem“ Obst und Gemüse eine Chance zu geben.

In Retterboxen finden sich Exemplare, die für den Supermarkt nicht schön genug waren oder übrig geblieben sind. Manche davon haben es nicht mal vom Feld in den Markt geschafft, obwohl sie ebenso lecker und gesund wie ihre wohlgeformten Freunde sind. Für eine Retterbox werden sie zusammengestellt und ganz bequem bis an die Haustür geliefert. So einfach kann es sein, etwas gegen die Verschwendung von Obst und Gemüse zu unternehmen. Das Konzept ist nicht nur auf frische Lebensmittel beschränkt. Es gibt auch Retterboxen für abgepackte Waren wie Schokolade, Nudeln oder Milchprodukte.

Die Retterbox: Welche Anbieter gibt es?

Im Folgenden stellen wir Ihnen einige Anbieter vor, die mit einer Retterbox einen Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung leisten.

etepetete

Hinter dem Namen etepetete versteckt sich ein Unternehmen aus München, das 2015 gegründet wurde, um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. Damit hat es einen Nerv getroffen: Mittlerweile sind viele Landwirtinnen und Landwirte Partner, das etepetete-Team besteht aus über 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weit über den Münchner Raum hinaus. Ziel sind der nachhaltige und ökologische Handel sowie der umsichtige Umgang mit Ressourcen. Wie das in der Praxis aussieht? etepetete hat mit seinem Angebot eine Plattform für Bio-Obst und -Gemüse geschaffen, das im regulären Handel liegen bleiben würde. Kundinnen und Kunden können zwischen vier verschiedenen Obst- und Gemüseboxen auswählen. Egal ob krumm und schief, verdreht oder etwas kleiner, für eine Retterbox spielt nur der Geschmack eine Rolle. So können sich auch die landwirtschaftlichen Betriebe ganz auf den nachhaltigen Anbau konzentrieren, Überzüchtung und Überdüngung haben keinen Raum.

Neben den Obst- und Gemüseboxen bietet etepetete zudem eine sogenannte Retter-Snack-Box an, die Bio-Produkte mit „Schönheitsfehlern“ wie etwa einem abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatum oder beschädigten beziehungsweise fehlerhaft bedruckten Verpackungen enthält.

Die Retterbox von Sirplusist bis oben hin gefüllt mit allerlei Lebensmittelverpackungen.
On nah am Mindesthaltbarkeitsdatum oder schlicht falsch etikettiert – alle Lebensmittel in der Sirplus-Retterbox sind einwandfrei verzehrbar.

SIRPLUS

Seit 2017 setzt sich SIRPLUS dafür ein, die Rettung von Lebensmitteln einfach und für jede und jeden zugänglich zu machen. Im Gegensatz zu den Betrieben, die ganz auf frisches Obst und Gemüse ausgelegt sind, ist SIRPLUS eher ein Onlinesupermarkt. Angeboten werden Lebensmittel, die sich von den Produzierenden oder dem Großhandel nicht mehr verkaufen lassen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist zu nah oder bereits überschritten, es wurde zu viel produziert oder das Verpackungsdesign ist veraltet. Statt sie wegzuwerfen, kommen sie so zurück in den Kreislauf. SIRPLUS zahlt für diese geretteten Lebensmittel einen Beitrag an die Herstellenden, um sie für ihren Aufwand zu entschädigen. Auf diese Weise soll in der gesamten Lieferkette eine neue Wertschätzung für Lebensmittel entstehen. Die geretteten Lebensmittel schickt SIRPLUS einfach per Post nach Hause und spendet zusätzlich in Kooperation mit der Welthungerhilfe für jede Bestellung eine Schulmahlzeit für ein Kind in Burundi.

Die Boxen lassen sich einzeln oder im Abo bestellen und je nach Ernährung ausrichten: gemischt, vegan oder vegetarisch – alles kein Problem. Zu Obst und Gemüse gesellen sich unter anderem Frühstücksprodukte, Zutaten für mindestens zwei Gerichte, Grundnahrungsmittel sowie haltbare Snacks.

Rübenretter

Die Obst- und Gemüseboxen von Rübenretter sind durch die eigenen Gemüseläden in der Nähe von Nürnberg entstanden. Ihnen liegt also langjährige Erfahrung zugrunde. Immer häufiger hatte man in den Läden von den Lieferbetrieben erfahren, dass viele der Feldfrüchte, die optisch nicht der Norm entsprachen, weggeworfen werden mussten. Das Thema fand große Resonanz bei den Kunden und Kundinnen – die Retterbox war geboren.

In ihr findet sich jede Woche eine Auswahl an frischem Gemüse aus der Region. Das Angebot wechselt also je nachdem, was die Felder gerade zu bieten haben. Um die Auswahl zu erweitern, lässt sich die Retterbox nach Wunsch um Obst ergänzen. Es stammt größtenteils aus der Region, Zitrusfrüchte oder Ähnliches kommen allerdings aus kontrolliertem Anbau im Süden. So bekommen auch „unperfekte“ Früchte eine Chance. Zusätzlich zu Gemüse-, Obst- und Mixboxen bietet Rübenretter eine Saft- und Smoothiebox an. Eine Kiste umfasst fünf Kilogramm saisonales Gemüse und Obst. Erklärtes Ziel ist es, Karotte, Gurke und Co. in ihrer Vielfalt und ihrem natürlichen Wachstum zu erhalten. Denn auch oder eben gerade solche Ware, die nicht perfekt genormt ist, kann gegen die Lebensmittelverschwendung helfen.

Die gekringelten Gurken sind genauso lecker wie gerade Exemplare.
Viele wissen gar nicht, dass Gurken nicht immer gerade wachsen, weil der Handel diese Exemplare meist direkt aussortiert. Statt auf dem Müll landen die krummen Gurken in den Retterboxen zum Beispiel bei Sirplus.

afreshed

afreshed ist ein österreichisches Start-up, das sich ebenfalls der Rettung von Lebensmitteln verschrieben hat. In die Boxen kommt frisches Obst und Gemüse aus der Region, die Ware wird bezogen von landwirtschaftlichen Betrieben bis hin zu Rückläufern aus dem Handel. So können in einer Box von Salat vom Bauernhof um die Ecke bis hin zur Banane von einem heimischen Händlerbetrieb alles enthalten sein. Importware lehnt das Unternehmen ebenfalls nicht ab, da sie ja bereits bis nach Österreich transportiert wurde.

Jede Box ist daher eine Überraschung. Kundinnen und Kunden können sich im Vorfeld allerdings für eine reine Gemüse- oder Obstbox oder die gemischte Variante entscheiden. Diese wird dann entweder jede Woche, alle zwei Wochen oder einmal pro Monat direkt nach Hause geliefert. Zu jeder Retterbox gibt es Inspiration in Form von Rezepten, damit weniger bekannte Sorten sich dennoch gut verwerten lassen. Zusätzlich pflanzt das Unternehmen pro Bestellung einen Baum gepflanzt – als Zeichen dafür, dass Konsum auch nachhaltig funktionieren kann.

Erfahrungen mit einer Retterbox

Unsere Mitarbeiterin Nina bezieht seit etwa einem halben Jahr die Rohkost-Box Family von etepetete. Momentan erhalten sie und ihre vierköpfige Familie die Box alle 14 Tage. Da der Appetit der Kinder auf „Grünzeug“ jedoch immer wieder variiert, hat sich die Familie vorerst für dieses Modell entschieden und kauft zusätzlich nach Bedarf weiteres Obst und Gemüse ein. Eine Retterbox haben Nina und ihr Mann gewählt, weil sie es gut finden, auf diese Weise Lebensmittel zu retten. Besonders ihre beiden Töchter würden sich über knubbelige Möhren, winzige Äpfel oder extragroße Rettichknollen immer sehr freuen. Oft sei jedoch gar nicht erkennbar, dass es sich um eine „schlechtere“ Qualität handelt.

Wie andere Anbieter auch, liefert etepetete teils Gemüsesorten, die die Familie bisher seltener zubereitet hat, wie etwa Mangold oder gelbe Bete. Dass sie auf diese Weise gezwungen sind, ihr Repertoire an Rezepten zu erweitern, gefällt Nina. Nur dass etepetete keine Info beilegt, welches Obst und Gemüse sich konkret in der Kiste befindet, findet Nina etwas schade. Besonders wenn die Teile optisch von der Norm abweichen, müsse sie mitunter länger recherchieren, um welche Rübensorte es sich genau handle. Ein wenig überfordert mit der Auswahl seien sie nur im Winter gewesen, als viele Limetten und Zitronen im Paket enthalten waren.

Aufgrund ihrer Wohnsituation in einem Mehrfamilienhaus gefällt Nina, dass die Lieferung per normalem Paketversand in einem sauberen, geruchlosen Pappkarton erfolgt. Die Lieferung könne so auch mal von Nachbarn entgegengenommen oder kurzzeitig im Hausflur gelagert werden, ohne unangenehm aufzufallen. Die Auswahl halten alle Familienmitglieder für ausgewogen. Ihr Fazit: „Das Konzept der Retterbox hat uns überzeugt. Neben dem Aspekt, dass Lebensmittelverschwendung vermieden wird, entlastet uns die Lieferung von Obst und Gemüse im Alltag.“

Hohe CO2-Emissionen durch den Transport?

Ganz gemütlich von zu Hause aus Lebensmittel retten, die sonst einfach weggeworfen werden würde. Klingt erst mal nach einer rundum positiven Situation für alle Beteiligten. Was allerdings bei allen Anbietern auffällt, sind die Emissionen, die bei der Lieferung entstehen. Dem versuchen die Unternehmen etwas entgegenzusetzen. So versenden die deutschen Anbieter beispielsweise mit dem klimaneutralen Service GoGreen der Deutschen Post. Etepetete als Unternehmen ist darüber hinaus nach eigenen Angaben sowohl klimaneutral als auch plastikneutral. SIRPLUS erklärt, die Lebensmittel, die gerettet würden, hätten bereits einen hohen CO2-Ausstoß durch Transport und Produktion gehabt. Der Transport ins Lager beziehungsweise zu den Kunden und Kundinnen falle im Vergleich zu den eingesparten Ressourcen kaum ins Gewicht. Für die Verpackung setzt das Unternehmen auf recycelte Pappe. Retouren würden noch einmal auf ihre Brauchbarkeit überprüft und nicht pauschal entsorgt.

Auch ist zu bedenken, dass die wenigsten Kunden und Kundinnen ohne Emissionen an ihr Gemüse in Hofladen-Qualität kommen. Während in der Stadt der Weg zum Bio-Laden kurz ist, ist es gerade auf dem Land oft nur mit dem Auto machbar, überhaupt einkaufen zu gehen. Der Versand dürfte hier wahrscheinlich sogar das kleinere Übel darstellen.

Aus der Gemüseauswahl in der Retterbox lassen sich leckere Mahlzeiten zubereiten.
Regional und oft in Bio-Qualität: Das Gemüse in vielen Gemüsekisten liefern Erzeugerhöfe direkt an die Haustür.

Lokale Alternative zur Retterbox: Gemüsekisten von Höfen in der Region

Anbieter wie zum Beispiel etepetete können deutschlandweit liefern. Oftmals gibt es aber in jeder Region auch kleinere produzierende Betriebe, die die Lieferung von Gemüsekisten anbieten. So bleibt nicht nur der Transportweg kurz, es wird zudem die saisonale Ernährung gefördert und im besten Fall ein lokaler Hof unterstützt. Mit einer solchen Kiste kommt sozusagen der Hofladen direkt nach Hause. Natürlich können wir hier nicht alle Anbieter verschiedenster Regionen aufzählen. Sie können sich aber selbst einen Überblick verschaffen, indem sie ganz einfach online den Begriff Gemüsekiste oder Biokiste in Ihrer Suchmaschine eingeben. Als Ergebnis sollten vor allem lokale Anbieter auftauchen, die Sie sich dann näher anschauen können. Im besten Fall können Sie sogar einen Ausflug zum dazugehörigen Hofladen unternehmen, um sich ein genaueres Bild von der Umgebung und den Produkten zu machen.

Fazit: Retterboxen bieten viele Vorteile

Lebensmittel aufgrund teilweise absurder Ausschlusskriterien wegzuwerfen, während in anderen Ländern Hungersnöte an der Tagesordnung sind, stellt nicht nur einen ethischen Widerspruch dar. Es ist gleichzeitig eine riesige Verschwendung von Ressourcen und eine Belastung für das Klima. Retterboxen bieten die Möglichkeit, diese Missstände zu bekämpfen – und das noch dazu auf sehr bequeme Art und Weise. Auch wenn Retterboxen vielleicht nicht die alleinige Lösung des Problems sind, so machen sie in jedem Fall auf ein wichtiges Problem aufmerksam und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte.

Weiterführende Links zum Thema Lebensmittelverschwendung

Lebensmittelverschwendung lässt sich auf vielfältige Weise vermeiden. Hier finden Sie weiterführende Links zum Thema.

 

1 Kommentare
  • Bei diesen ganzen Retter-Geschichten frage ich mich immer woher die Ware eigentlich wirklich stammt. Wenn man auf Websites sucht, woher z.B. Obst und Gemüse kommt, findet man leider keinerlei Auskunft/Info darüber – als Konsument finde ich es sehr merkwürdig, dass man gerade hier nur minimale Info bekommt oder? Kommen die Waren wirklich vom Landwirt oder vom Supermarkt, der dafür Geld verlangt, dieses jedoch nicht an den Landwirt weitergibt???? Da kann viele, trotz des eigentlich sehr guten Gedankens, sehr sehr schief laufen. Daher wäre Info ganz ganz wichtig. Auch kann man nirgendwo Links für Landwirte zum Mitmachen/Liefern finden – finde ich auch sehr komisch – braucht man keine Ware aus der jeweiligen Region oder stehen wieder die Supermarktketten und deren Schergen hinter den „Rettern“???

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