Vegan im Leistungssport: Von wegen Proteinmangel

Veganismus ist ein kontrovers diskutiertes Thema, bei dem verschiedenste Faktoren beleuchtet werden wollen. Seltener zur Sprache kommt, dass sich eine ausgewogene naturbelassene, pflanzliche Ernährungsweise positiv auf die eigene Leistung auswirken kann. Hier setzt Aleksandra Keleman an. Sie berät Spitzensportler und Promis, stellt mit ihnen individuelle Ernährungspläne zusammen und gibt Einkaufstipps.

Im Interview erklärt Aleksandra, wieso immer mehr Athleten auf vegane Kost setzen, warum gekeimte Nahrung gut für unseren Körper ist und wie sie persönlich die aktuelle Entwicklung im Veggie-Bereich sieht.

Ernährungscoachin Aleksandra Keleman im Interview

Aleksandra Keleman

Was hat dich dazu motiviert, vegan zu leben?

Am Anfang wollte ich einfach nur gesünder leben. Ich bin auf ein paar Informationen bezüglich Gesundheit und Tiermilch gestoßen und der Entschluss war klar: Jetzt probierst du es mal mit Pflanzenmilchprodukten. Ich fühlte mich schnell wohler und wollte noch mehr über die Zusammenhänge von Ernährung und Gesundheit erfahren. Als nächstes strich ich das Fleisch vom Speiseplan, zuletzt Fisch und Eier. Das ist nun knapp acht Jahre her und ich habe es keine Sekunde bereut.

Wann hast du begonnen, Sportlern vegane Ernährung näher zu bringen und wie kam es dazu?

2014 stieß ich im Vorfeld der Fußball-WM in Brasilien über einen Zeitungsartikel des damaligen DFB-Team-Kochs Holger Stromberg, in dem er angab, dass Schmorbraten müde Beine mache. Das war ganz nach meinem Geschmack. Eine Bekannte meinte daraufhin, ich solle mal den deutschen Mannschaftsarzt in München besuchen, worauf ich ihm ein Buch mit großangelegten Studien vorbeibrachte. Und tatsächlich, während der WM wurden die Spieler überwiegend vegan verpflegt, Tiermilchprodukte wurden durch Pflanzenmilchprodukte ersetzt.

Der Spiegel dokumentierte das in einem Interview mit dem Koch nach der WM. So konnte ich einigen Spielern und Athleten diese Informationen zukommen lassen, zusammen mit einem Interview von Dirk Nowitzki zum Thema Kuhmilch, welches man auf YouTube findet. Das weckte bei vielen Interesse und ich gründete mit zwei DEL-Eishockeyspielern die Facebook-Gruppe Top Athletes Vegan, der mittlerweile über 2.000 Menschen aus dem deutschen Leistungssport angehören.

Welche Vorteile hat rein pflanzliche Ernährung speziell für Leistungssportler?

Ich kenne persönlich keinen Sportler, der es bereut hat, auf vegan umgestiegen zu sein. Alle geben an, schneller zu regenerieren und besser zu schlafen. Viele Sportler berichten, nicht mehr so verletzungsanfällig zu sein.

Wie könnte ein zusammen mit dir entwickelter Speiseplan aussehen?

Ein Speiseplan ist idealerweise individuell auf den Belastungsplan des Athleten zugeschnitten. Man schaut sich an, wann am Tag das Training oder Spiel stattfindet und baut die Mahlzeiten entsprechend um die Belastungen herum. Ich empfehle drei Stunden vor dem Spiel die letzte größere Mahlzeit aus Obst, Kräutern und gekeimten Samen, möglichst schnell nach dem Spiel leicht verdauliche Zucker aus Datteln oder Feigen und im Anschluss ein reichhaltiges Essen, beispielsweise Gemüse in Kokosmilch, dazu gekeimter Quinoa als hochwertige Proteinquelle.

Zu einer optimalen Versorgung gehören nicht nur Speisen. Dank unserer naturfernen Lebensweise (kaum Wildkräuter und zu wenig Sonne) sollte man sich auch mit Supplementierung auseinandersetzen. Ich denke da insbesondere an die Themen B12, Omega3 zu Omega6 Bilanz, Vitamin D und Co-Faktoren und an die Mineralien und Vitamine, welche die Schilddrüse unbedingt benötigt, um einwandfrei zu funktionieren (vor allem Jod und Selen). Das betrifft alle Ernährungsweisen, nicht nur die vegane.

Aleksandra Keleman auf Einkaufstour mit Florian Becker und Moses Pelham
Profis unterschiedlichster Sportarten sowie andere Promis wie Rapper Moses Pelham verlassen sich auf Aleksandras Expertise.

Du empfiehlst vor allem gekeimte Lebensmittel – was hat es damit auf sich?

Das Keimen macht aus schwer verdaulichen Samen leicht verdauliche Keimlinge. Dabei gewinnt der Samen an Vitaminen und Enzymen, natürliche Fraßgifte werden abgebaut. Infolgedessen kommt der Körper an Nährstoffe wie Zink, Eisen, Magnesium, Calcium, Phosphor, welche vorher unlöslich für unsere Verdauung von der Phytinsäure gebunden wurden.

Ich möchte das gerne ausprobieren und mehr Keime und Kräuter in meine Mahlzeiten integrieren. Wie starte ich am besten?

Ich starte morgens am liebsten mit einer Green-Smoothie-Bowl mit gekeimtem Buchweizen (keimt schnell und zuverlässig) und gekeimten Leinsamen.

Ich empfehle, gutes Keimequipment zu kaufen, damit das Keimen auch Spaß macht und schnell von der Hand geht. Hier haben sich bei mir die Keimgläser und Keimsiebe von Eschenfelder am besten bewährt.

Beim Thema Wildkräuter, welches ich für das Thema mit dem größten leistungssteigernden Potential halte, kann ich die App Plantsnap sehr empfehlen. Man fotografiert eine Pflanze und die App verrät einem mit hoher Wahrscheinlichkeit den Namen der Pflanze. Gänseblümchen, Löwenzahn und Brennnessel kennt ja eigentlich jeder. Wildkräuter bereichern jede Mahlzeit.

Kennst du einen guten Ratgeber mit weiterführenden Informationen zu diesem Thema?

Meine drei favorisierten Bücher zum Thema Ernährung sind Branden Braziers „Vegan in Topform“ (Leistungssteigerung), Cellgardens „Superfood Assistant“ (Thema Keimen) und das Buch „Was blüht denn da?“ (Thema Wildkräuter).  In meiner eigenen „Superstar Formel“ habe ich meine bisherigen Erkenntnisse aus der Arbeit mit den Leistungssportlern einfließen lassen.

Veganes Curry mit Keimlingen
Frische Keimlinge eignen sich wunderbar als knackiges Topping, zum Beispiel auf einem Curry.

Die vegane Ernährung ist auf dem Vormarsch. Wie siehst du die aktuelle Entwicklung?

Es geht stetig voran. Wenn ich das heutige Angebot mit dem vor acht Jahren vergleiche, wird klar, dass es nie so einfach war wie heute, sich vegan zu ernähren. In jeder Drogerie bekommt man unzählige Pflanzenmilchsorten, vegane Riegel und Schokoladen. Die Supermärkte führen vegane Joghurts und Käse. Das größte vegane Angebot findet man in den Biomärkten. Ich kaufe fast ausschließlich biologische Produkte.

Trotzdem empfinden viele Menschen den Verzicht auf sämtliche tierischen Produkte als „extrem“. Was ist dein Statement dazu?

Wir verspotten, was wir nicht verstehen. Ich denke, Menschen reden gerne Dinge schlecht, mit denen sie sich aus Bequemlichkeit nicht beschäftigen wollen. Wenn man sich ein bisschen über das Thema informiert, kommt es einem schnell überhaupt nicht mehr extrem vor und man entdeckt Schritt für Schritt die großen Vorteile für sich selbst, die Tiere und die Umwelt.

Im Waschbär-Magazin geht es vor allem um ökologisches, soziales Handeln im Alltag. Was kannst du unseren Lesern mit auf den Weg geben?

An altbekannten Dingen festzuhalten, heißt auch, nichts Neues kennenzulernen. Konventionelle Produkte durch ökologische und soziale Produkte auszutauschen, sehe ich als großen Gewinn. Man überlegt sich dann automatisch, welche Dinge man im Leben wirklich braucht. Das wird dann überschaubarer. Man besitzt ja eigentlich nur Dinge, die man wirklich nutzt und im Blickfeld hat, von denen man weiß, wo sie stehen. Dieses weniger haben, aber höherwertiger, bedeutet für mich Lebensqualität und auch mehr Freiheit.

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