Vogelsterben: Warum es in unserem Land stiller wird

Alle Vögel sind … leider nicht mehr da

Ob wohl Kinder in einigen Jahren singen werden: „Amsel, Drossel, Fink und Dingsbums“? Wenn es so weitergeht, dann werden sie den Star vielleicht bald nicht mehr kennen – und das, obwohl der Vogel berühmt ist für seine riesigen Schwärme, die mitunter die Sonne verdunkeln. Doch seit 2016 wird er auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands als „gefährdet“ eingestuft. Um 42 Prozent ging der Bestand bei uns innerhalb von nur zwölf Jahren von 1998 bis 2009 zurück. Das bedeutet einen Verlust von 2,6 Millionen Brutpaaren – ganz schön viele Starenschwärme.

Das klingt erschreckend. Noch viel erschreckender ist allerdings die Erkenntnis, dass diese Entwicklung keineswegs nur den Star betrifft. Zwischen 1998 und 2009 ist die Zahl der hier brütenden Vogelpaare um 15 Prozent zurückgegangen. Das sind 12,7 Millionen Brutpaare; über 25 Millionen Vögel.

Was bedeutet Vogelsterben?

Selbst die Populationen so bekannter Arten wie Spatzen, Buchfinken und Feldlerchen sind erheblich geschrumpft. Kein Wunder, dass nicht nur Medien, sondern auch Umweltverbände wie der NABU (Naturschutzbund Deutschland) von einem regelrechten Vogelsterben sprechen.

Das klingt nach toten Federknäueln. Doch mit dem Begriff ist nicht gemeint, dass erwachsene Tiere sterben, etwa an Krankheiten. Nein, es geht um eine langfristigere Entwicklung: Viele Vögel ziehen weniger Nachwuchs groß, sodass ihre Gesamtzahl abnimmt.

Der Rückgang ist spürbar. Immer mehr Menschen wundern sich darüber, dass es auf dem Land so still geworden ist. Zwischen den Feldern, wo früher Lerchen über den Köpfen von Spaziergängern tirilierten, hört man jetzt immer häufiger – nichts.

Der Star sitzt mit Insekten im Schnabel oberhalb den Jungtiers auf dem Brutkasten
Die Vögel sterben nicht in Massen wie die Amsel oben auf dem Titelbild. Es gibt immer weniger Brutpaare und somit weniger Nachwuchs.

Die Verluste beziffern

Um diese Eindrücke in Zahlen und Daten zu übersetzen, sind zwischen März und Juni im ganzen Land Freiwillige verschiedener Vogel- und Naturschutzverbände unterwegs, die auf definierten Arealen Vögel zählen. Diese Daten werden vom Dachverband Deutscher Avifaunisten ausgewertet und von der Bundesregierung für ihre Berichte genutzt. Denn alle sechs Jahre überprüft die EU, wie effektiv die Mitgliedsstaaten die europäische Vogelschutzrichtlinie umsetzen. 2019 steht der nächste Bericht an, und jetzt schon zeichnet sich ab, dass keine Entwarnung in Sicht ist.

Das Vogelsterben, das wir aktuell beobachten, betrifft vor allem bekannte, weit verbreitete Singvögel – eben „Amsel, Drossel, Fink und Star“ aus dem Kinderlied. Unter den Arten, deren Bestände drastisch zurückgegangen sind, finden sich besonders viele, die auf Wiesen und Felder als Lebensraum angewiesen sind. Ebenso gefährdet sind Vogelarten, die Insekten und Spinnen fressen oder zumindest ihre Jungen damit füttern.

Die Ursachen des Vogelsterbens

Das gibt Hinweise auf die Gründe, die zu diesem Rückgang führen: Sie haben etwas mit Lebensräumen und dem Futterangebot zu tun. Besonders auf dem Land verschlechtern sich die Bedingungen für Vögel immer weiter. Das liegt vor allem an der Intensivierung der Landwirtschaft. Agrarbetriebe werden immer größer, und dadurch entstehen immer ausgedehntere Feldflächen. Feuchtwiesen werden entwässert und gehen als Biotope verloren. Auch Weiden werden häufiger umgepflügt und in Ackerland verwandelt, weil Tiere zunehmend das ganze Jahr im Stall stehen.

Damit verschwinden die Lebensräume vieler Vogelarten wie Feldlerche oder Feldsperling, die kleinräumige Landschaftsstrukturen mit unbewirtschafteten Ackerrändern und Hecken brauchen, in denen sie brüten, sich vor Fressfeinden verstecken und ihre Nahrung finden können.

Feldlerchen leiden unter dem Verlust ihres Lebensraums an die intensive Landwirtschaft – und zusätzlich am sinkenden Angebot von Insekten.

Gleichzeitig dehnen sich Monokulturen von Mais und Raps für die Produktion von Biodiesel oder für Biogasanlagen immer weiter aus. Auch Winterweizen verspricht Landwirt*innen hohe Erträge. Die Folge: Die Felder sind sehr früh im Jahr schon so dicht bewachsen, dass gerade Bodenbrüter nicht mehr zum Zuge kommen. Welche dramatischen Auswirkungen diese Entwicklung hat, lässt sich an den Beständen des Rebhuhns ablesen, die seit 1980 europaweit um 94 Prozent geschrumpft sind.

Insektensterben und Vogelsterben gehen Hand in Hand

Hinzu kommt, dass das Nahrungsangebot immer knapper wird, gerade für Vogelarten, auf deren Speiseplan Krabbeltiere stehen. Sie finden heute rund 80 Prozent weniger Fluginsekten als noch vor 25 Jahren – eine Besorgnis erregende Zahl. Auch das Insektensterben hängt sehr wahrscheinlich mit der intensiven Landwirtschaft zusammen. Insektizide, die zum Pflanzenschutz auf den Feldern versprüht werden, töten nicht nur ausgewählte Schädlinge, sondern auch andere Arten. Insbesondere die sogenannten Neonicotinoide haben in dieser Hinsicht einen schlechten Ruf.

Außerdem sind Insekten ähnlich wie Vögel auf eine vielfältige Landschaftsgestaltung angewiesen, die ihnen viele verschiedene Nahrungspflanzen und geeignete Plätze zur Eiablage bietet. Aber statt bunter Blumen im Getreidefeld oder am Wegrand sieht man bei der Fahrt übers Land oft nur noch eintönige Felder. Wo keine Nahrung, da keine Insekten – und als Nächste in der Nahrungskette bekommen das die Vögel zu spüren. Hier gerät die Entwicklung dann zum Teufelskreis. Denn wo Vögel als natürliche Fressfeinde weniger werden, können sich pflanzenschädigende Insekten ungehindert vermehren – was wiederum zu erhöhtem Einsatz von Insektiziden führt.

Maßnahmen gegen das Vogelsterben

Wenn der Schwund an Vogelarten gestoppt werden soll, dann muss sich also vor allem die Landwirtschaft wandeln. Dass es so nicht weitergehen kann, meinen inzwischen auch immer mehr Verbraucher*innen. Sichtbar wird das jedes Jahr im Januar, wenn anlässlich der Grünen Woche Tausende in Berlin auf die Straße gehen und zeigen: „Wir haben es satt!“ Sie fordern eine Veränderung der EU-Agrarpolitik. Subventionen sollen künftig nicht mehr von der Größe der Flächen abhängig gemacht werden, sondern von einer nachhaltigen Bewirtschaftung.

Wer sich allerdings eine vogel- und insektenfreundlichere Landwirtschaft wünscht, braucht nicht bis zur nächsten Demo zu warten. Mit der Wahl von Bio-Lebensmitteln können Sie gleich beim nächsten Einkauf etwas tun. Auf Biohöfen ist der Einsatz von chemischen Pestiziden und Kunstdünger tabu, und die Wahrung von Landschaftsvielfalt und Biodiversität gehört zum Konzept. Gerade den unter Druck geratenen Vogelarten der offenen Agrarlandschaft helfen Sie auf diese Weise am besten.

Der vogelfreundliche Garten – das können Sie tun

Früher häufige Arten wie Buchfinken werden seltener. In Ihrem Garten können Sie etwas für die kleinen Sänger tun.

Aber auch bei Gartenvögeln wie Buchfink oder Grünfink sind Rückgänge zu verzeichnen. Mit einem insekten- und vogelfreundlichen Garten können Sie in Ihrem direkten Umfeld etwas für die Artenvielfalt tun. Die wichtigsten Tipps dafür:

  • Pflanzen Sie Hecken aus einheimischen Gehölzen wie Vogelbeere, Weißdorn oder Holunder an, die reichlich Verstecke bieten und außerdem Früchte tragen, die von vielen Vogelarten gern gefressen werden.
  • Lassen Sie es blühen! Eine bunte Blumenwiese statt des kurz geschorenen Rasens lockt Insekten und Vögel an.
  • Geben Sie Unordnung eine Chance: aufgehäufte Zweige und Blätter sowie im Winter stehen gelassene Samen- und Fruchtstände geben vielen Kleintieren Lebensraum und Nahrung, ebenso wilde Ecken mit vermeintlichen Unkräutern wie Brennnesseln oder Disteln. Totholz wie alte Baumstümpfe oder tote Äste sind ebenfalls wichtige Biotope.

Selbst wenn Sie keinen Garten haben, sondern nur einen Balkon, können Sie ihn insektenfreundlich gestalten und damit indirekt den Vögeln helfen. Bieten Sie der fliegenden und krabbelnden Vielfalt einen Anlaufpunkt, indem Sie statt Geranien lieber nektar- und pollenreiche Blüten pflanzen. Gute Futterpflanzen sind beispielsweise Vergissmeinnicht und Kapuzinerkresse, aber auch viele Kräuter wie Minze oder Oregano.

Vogelfütterung mit begrenztem Nutzen

Aber könnte man den Vögeln nicht einfach am Futterhäuschen den Tisch decken? Jein. Naturschutzverbände sind sich einig, dass man durch Vogelfütterung das Problem des Vogelsterbens nicht lösen kann. Denn von Meisenknödeln und Futtersilos profitieren vor allem einige wenige nicht gefährdete Arten wie Meisen; gerade den Feldvögeln bringen sie nichts. Trotzdem kann auch die Winterfütterung durchaus einen positiven Effekt haben: Gerade Kinder lernen dadurch heimische Vogelarten kennen – und das ist die Voraussetzung dafür, dass sie sich einmal für ihre Erhaltung einsetzen. Man schützt schließlich nur, was man kennt und mag.

Wenn Sie übrigens – mit Kindern oder ohne –gern Vögel beobachten, dann nehmen Sie doch einmal an den Zählaktionen teil, die der NABU regelmäßig unter dem Namen „Stunde der Gartenvögel“ und „Stunde der Wintervögel“ durchführt! Ihr Engagement hilft dabei, ein klareres Bild vom Zustand unserer heimischen Vogelbestände zu gewinnen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Bild irgendwann einmal wieder hoffnungsvoller aussieht.

 

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